Hi Matthias,

beiliegend schicke ich dir meinen Beitrag zum Thema Didgeridoo
und Asthma. Ich würde mich freuen, wenn du ihn tatsächlich auf
deine Website stellst. Vielleicht hilft der Artikel doch dem einen
oder anderen.

Schönen Sonntag noch
Thomas


Didgeridoo und Asthma.

im Jahr 1995 wurde bei mir Asthma diagnostiziert. Auslöser war, neben einer erblichen Disposition, eine nicht erkannte Allergie gegen Hausstaubmilben und Katzenhaare. Im Laufe der Jahre verschlimmerte sich das ganze so sehr, daß ich inzwischen ohne Medikamente (Uniphyllin / Inhalationen / Antiallergika) nicht mehr
auskomme. Cortisonpräparate kann ich gar nicht nehmen, da dann meine Psyche durchdreht. Durch die teilweise chronische Bronchitis und das jahrzehntelange Rauchen kam auch noch ein Lungenemphysem dazu, so das ich heute de Facto nur noch die Hälfte meiner Lunge nutzen kann.

Da sich das Asthma nicht nur auf die körperlichen Symptome beschränkt, ging es mir auch mental immer schlechter. Mit dem stetig absinkenden Peak-Flow-Wert (Maßstab für die Lungenfunktion) nahmen auch meine Belastbarkeit, mein Selbstvertrauen und meine Arbeitsfähigkeit immer mehr ab. Inzwischen bin ich komplett erwerbsunfähig und auf Rente.

Soweit die Vorgeschichte und der aktuelle Stand, jetzt will ich aber zum eigentlichen Thema kommen.

Im April oder Mai 1999 entdeckte ich in einer Musikhandlung ein Bambusdige und kaufte es mir. Ich wusste über Didgeridoos nur, daß man den Ton durch Lippenvibrationen erzeugt. Das ganze musste also eine wunderbare Atemtherapie sein !

Nachdem ich mindestens drei Wochen brauchte, um überhaupt mal einen Grundton hinzubekommen, hat es mich dann richtig erwischt. Täglich, manchmal mehrere Stunden, hab ich auf dem Teil immer wieder rumgetrötet. Immer nur den Grundton, mit immer längeren Atemzügen. So gelang es mir meine Asthmaanfälle zu verhindern wenn ich nur rechtzeitig mit dem Tröten anfing. Seit dieser Zeit hatte ich keinen schlimmen Anfall mehr.

Mit der Zeit stieg mein Peak-Flow-Wert von 200 l/sec auf bis zu 400 l/sec. (an guten Tagen) an. Aber auch meine seelische Verfassung verbesserte sich, obwohl es damit erst mal weiter
bergab ging. Mir wurde klar, daß ich nicht nur ein körperliches, sondern auch ein psychisches Wrack war. Asthmatiker werden mich da sehr gut verstehen. Jahrelang hatte ich meine körperlichen
und psychischen Probleme total ignoriert, um nur ja die gesellschaftlichen Normen (ackern um jeden Preis) erfüllen zu können. Den Preis sollte ich in der Form zahlen, daß ich im November mit einer akuten Tachykardie (Pulsbeschleunigung auf 170 BpM) und Verdacht auf Herzinfarkt mit dem Notarzt ins Krankenhaus gebracht wurde. Im Anschluss an diesen körperlichen Zusammenbruch kam dann der seelische Notstand erst richtig zum tragen, und ich begann eine Psychotherapie.

Diese schwerste Zeit in meinem Leben hätte ich ohne Didgeridoo niemals überstanden, und das Didgen hat mich mehr als einmal davor bewahrt total aufzugeben.

Zwei Jahre habe ich gespielt ohne mich an die Zirkularatmung auch nur heranzutrauen. Das hatte allerdings den Vorteil, das ich nicht nur den Grundton, sondern auch die Obertöne bis zur Perfektion
geübt habe. Jetzt wollte ich aber doch mehr lernen, und habe mich in der DDML (Mailingliste zum Thema Didge) schlau gemacht, wie das mit der Zirkularatmung funktioniert. Die Tipps, die ich dort und bei Workshops bekam halfen mir aber nicht sehr viel. Als Asthmatiker muss man teilweise ganz andere Dinge beachten, als Otto-Normaldidger. Am schwierigsten war wohl die Anforderung die Atmung nicht zu sehr in den Vordergrund zu stellen, macht man doch als Asthmatiker jahrelang nichts anderes als die Atmung zu kontrollieren. Der zweite Stein auf dem Weg zur Zirkularatmung ist die Angst vor dem Hyperventilieren. Diesen Fehler machen ja schon viele Gesunde.

Die Tricks die mir am meisten halfen, waren das Spielen mit Ablenkung (im Freien / mit TV) und die Lunge nicht ganz "leerzuspielen". Nur dann gelang es während kleiner Atemzüge den Grundton zu halten und zugleich das Luftvolumen in der Lunge aufzufüllen. Drei Monate hat es gedauert so die Zirkularatmung zu lernen. Als ich es endlich geschafft hatte, war ich unglaublich Stolz auf mich.

Einen Vorteil hat man als Asthmatiker allerdings gegenüber gesunden Didgern ! Mit der Bauchstütze, und dem Atmen "in den Bauch" hatte ich von Anfang an keinerlei Probleme, da man als Lungenkranker sehr früh lernt die Atmung mit dem Zwerchfell zu unterstützen !

Nach einem weiteren halben Jahr des Spielens, wollte ich jetzt auch noch so Dinge wie rhythmisches Spielen und Stimmeinsatz lernen. Auch hier musste ich feststellen, daß ich mit anderen Mitteln zum Ziel kam, als die meisten Didger. Generell findet ja eigentlich jeder seinen eigenen Weg zu den Zielen, die er sich für´s
Didgen setzt, aber bei mir kam eben auch noch die andere Atmung dazu. Ich brauche generell länger um etwas zu erreichen, als andere.

Das wichtigste beim Didgeridoo scheint mir aber zu sein, dasß man sich und dem Didge nichts abtrotzen kann ! Erst wenn man unbefangen und frei an die Dinge herangeht, gelingt es irgendwann von alleine (natürlich mit viel Übungszeit). Dazu gehört eben auch, daß man lernt seinen Kopf von unnötigem Ballast zu befreien, und
geistig / emotional loszulassen.

Ich habe manchmal den Eindruck, daß ich besonders dann gut spiele, wenn mein Kopf sozusagen in den Bauch rutscht. Das ist ungefähr so als würde man nicht mehr denken, sondern nur noch  wahrnehmen und fühlen. Das ist einfach ein unglaublich tolles Gefühl !

Insgesamt kann ich sagen, daß mir das Didgeridoo nicht nur hilft, mein Asthma auf einem erträglichen Niveau zu halten. Es ist auch eine Stütze für meine Psyche, indem es mein Selbstbewusstsein
stärkt, mich davor bewahrt mich zu Hause zu verkriechen und mir hilft Kontakte mit anderen zu pflegen. Ohne Didgeridoo kann ich mir momentan mein Leben nur sehr schwer vorstellen, und ich möchte nicht mehr darauf verzichten.

Spieltechnisch bin ich inzwischen so weit, das man es meinem Spiel nicht mehr anhört, das ich nur noch über das halbe Lungenvolumen verfüge. Oftmals schütteln die Leute ungläubig den Kopf, wenn ich nach dem Spielen erkläre, ich hätte Asthma und ein Lungenemphysem. Und ein schöneres Kompliment kann ich mir nicht vorstellen.

Gerne bin ich bereit (nicht nur) anderen Asthmatikern mit Tipps und Ratschlägen zu helfen. Schick mir einfach deine Fragen per E-Mail an: thombar@gmx.de.

Thomas Barth

 


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